Mittwoch, 4. Mai 2016

Die Straße der Kasbahs

Kasbah, so nennen sich heute viele Unterkünfte für Touristen, die den eigenwilligen Baustil der Wehr-Architektur nachempfinden, um ein authentisches Reiseerlebnis zu vermitteln.
Aber eigentlich wurden zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert die Befestigungsanlagen im Süden Marokkos von diversen Clans errichtet, um von dort aus das Land zu kontrollieren. Meist saß die Kasbah auf dem höchsten Punkt eines Ksar, eines mauernbewehrten Dorfes, in dem sich mehrere Stammesfamilien in den Oasentälern zusammengeschlossen hatten. Die Wohnburg mit ihren charakteristischen vier Ecktürmen wurde im unteren Teil aus Bruchstein bzw. Stampflehm und im oberen Drittel mit Lehmziegeln in ornamentaler Bauweise errichtet.
Entlang des Dades-Tals sind noch einige dieser mächtigen Lehmburgen erhalten und teilweise zu besichtigen. Wir sind auf dem Weg nach Aït Benhhaddou, um uns eine der Schönsten am Ouet  Mellah anzuschauen.
Auf dem Weg passieren wir das "Rosental" bei El Kelaa M'Gouna. Marokkos liebster Duft wächst hier, und im Mai wird ein Moussem (traditionelles Berberfest mit Reiterspielen und Folkloretänzen) im Namen der Rose veranstaltet. Das erleben wir leider nicht mehr. Dafür unzählige Magazins des  Roses, die so ziemlich alles anbieten, was man aus Rosenelixier herstellen kann. Wir haben unser "Parfüm" schon seit der Wanderung in der Tasche.
Wo die Straße den Fluss verlässt, durchqueren wir eine monotone Landschaft ohne jeden Reiz. Im Nordosten liegen die Flanken des Djebl Sarhro, im Nordwesten die des Hohen Atlas, dazwischen nichts als steiniges Land. Die Sonne hat sich nun ganz und gar hinter dichten Wolken verzogen.
Als wir uns der Stadt Ouarzazate nähern kommt uns die Landschaft auf einmal sehr bekannt vor: diese Oasen haben wir doch schon mal gesehen - in welchem Film? Tatsächlich ist die Filmindustrie schon seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts im Süden Marokkos aktiv und in  Ouarzazate sind die Atlas-Filmstudios beheimatet. "Sodom und Gomorrha", "Lawrence von Arabien", "Indiana Jones", "Gladiator" sind nur einige der Filme, die hier gedreht wurden.
Auch der Ksar Aït Benhaddou diente vielen Filmen als Kulisse. Deshalb, und weil die UNESCO Aït Benhaddou als Weltkulturerbe aufgenommen hat und die Erhaltung unterstützt, lohnt ein Besuch unbedingt. Im Gassen- und Treppenlabyrinth säumen die fensterlosen Hausmauern die Wege. Alles ist hier aus Pisé, dem weichen, gefügigen Baustoff, der aus Lehmerde, Wasser und gehäckseltem Stroh hergestellt wird. Die Masse wird zu Ziegeln geformt, in der Sonne getrocknet und der fertige Bau schließlich mit dem gleichen Material verputzt. Es gibt bei den Bauten keine Ecken und Kanten, alles ist abgerundet und weich, selbst den trutzigen Türmen und Zinnen fehlt jede Schärfe. Die geometrischen Ornamente sind alte Symbole der Berber und in deren Glauben besitzen sie schützende Magie.
Trotz des heraufziehenden Regens spazieren wir am Abend noch durch den Ksar, der wirklich sehr malerisch in der Biegung des Flusses thront und von ganz oben einen weiten Blick über die Ebene bietet.
Wir übernachten gegenüber des Ksar in einem der restaurierten traditionellen Lehmhäuser, im Dar Mouna. Sehr schönes Hotel! Modernes Leben mit Wasser, Strom und Internet ist also durchaus machbar in solch einem mittelalterlichen Gebäude.


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