Samstag, 7. Mai 2016

Einkaufen und Kochen mit Lalla Fatima

Marrakesh abseits der Touristensouks erleben wir heute mit Lalla Fátima. Wir werden mit ihr im Quartier Mellah, dem jüdischen Viertel, über den Markt gehen und alle Zutaten für ein traditionelles, marokkanisches Essen einkaufen. Lalla Fátima ist eine sehr moderne Frau, nicht nur was ihr Äußeres betrifft. Sie fährt Auto und verdient den Lebensunterhalt für die Familie mit ihren Kochworkshops.
Wir beginnen in der Herboristerie (ein Zwischending von Gewürzladen und Apotheke) denn die Gewürze, die wir brauchen, sollten nicht an den offen Markständen gekauft werden. Zuerst dürfen wir uns durch die verschiedenen Gläser hindurchschnuppern: Schwarzkümmel, Kreuzkümmel, Marokcurry, Muskatblüte, Kardamom, Zimt, Nelken, Sternanis - alles keine Unbekannten, doch die Kombination ist interessant und findet seinen Höhepunkt im Raz el Hanut, der Mischung aus 35 Gewürzen. Wie üblich trinken wir während dieser Kostproben Tee, diesmal eine Mixture Berbère.
Weiter geht es zu den Fleisch-und Fischhändlern. Würden wir uns für unseren Kochkurs für Huhn entscheiden, dann müsste eins der im Käfig Sitzenden frisch geschlachtet und gerupft werden. Wir nehmen lieber Fisch, der ist schon tot! Da werden wir gleich noch von einem Freund von Fátima eingeladen, frisch gegrillte Sardinen in der Fischbude mit zu essen, sozusagen als Appetitmacher. Die knusprigen Fische kommen auf ein Blatt Papier, gegessen wird mit der rechten Hand. 
Gegenüber sitzt ein alter Mann auf der Straße, einen Eimer mit Eiern vor sich. Wir kaufen 10 Stück, er kann nicht wechseln. Verschmitzt erklärt er, dass ihm seine Frau am Abend immer das ganze eingenommene Geld abnimmt und er morgens nicht mal mehr kleine Münzen zum Wechseln hat.
Gemüse und Obst wird entweder auf Karren oder auf alten Säcken, die auf der Straße ausgebreitet liegen angeboten. Eingelegte und gewürzte Oliven, eingesalzene Zitronen, getrocknete Früchte und Nüsse werden aus Läden herausverkauft, die nicht größer als ein Schrank sind. 
Marokkanische Frauen sind sehr wählerisch beim Einkauf, die Ware wird mehrfach in den Händen hin- und hergedreht, bis sie als gut befunden in die Plastik!tüte wandert.
Gefeilscht wird hier nicht. Alles hat seinen Preis und der ist sehr gering.
Am Eingang des Souks steht ein Fahrrad mit zwei Körben rechts und links, aus denen frisches Grün herausragt. Es kühlt die Buttermilch, die in 30 Liter-Kannen heute morgen frisch zum Markt gebracht wurde. Auf dem Fahrrad! 40 km weit, wie der Händler Fátima erzählt. Die Buttermilch wird zum Couscous gegessen oder gleich hier am Fahrradstand frisch genossen. Eine Schale für 1 Dirham.
Vollgepackt mit Lebensmitteln holen wir zunächst noch Gabriel, Fatimas kleinen Sohn von der Großmutter ab, dann fahren wir aufs Land, wo sie ihr Haus und ihre Kochschule hat. Dort erwartet uns schon, Aisha, ihre Assistentin - mit Tee, natürlich. Nichts beginnt ohne ein Glas Tee.
Während Piet und ich die Zutaten für die Fischtajine, den Rote Beete Salat, die Auberginenchips und die Gurken-Orangen-Suppe schnippeln, zündet Aisha Holzkohlestückchen für die Tajineöfchen an. Es sind tönerne Feuerstellen, auf die der ebenfalls tönerne Tajinetopf, bestehend aus einer Schüssel mit einem hohen, spitzen Deckel gesetzt wird. 
Während Fisch, Gemüse und Gewürze vor sich hinschmurgeln, bleibt Zeit für Gespräche und den kleinen Gabriel. Wir sitzen in der offenen Küche des nur eingeschossigen Riad (in den Städten sind die Häuser alle höher) und lassen uns von den Schwierigkeiten, aber auch den positiven Veränderungen des marokkanischen Alltags erzählen. Hier im Innenhof-Garten von Fatimas Haus mit seinen Orangen- und Olivenbäumen und seinen überbordenden Bougainvilleas, sieht die Welt zwar einfach, aber gar nicht ärmlich aus. Draußen jedoch, vor den Mauern, oder in den Baracken der Nachbarschaft offenbart sich das ganze Elend einer Gesellschaft ohne Zukunft. 
Der Orient ist hier nicht das bunte, glitzernde Kaufhaus Marrakech, sondern schlicht und ergreifend Armut, weil viele derer, die an den Stadträndern leben, zwischen Tradition und Moderne im Nichts hängenbleiben.

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